Da ich meinen trotzigen Plan zu ballern tatsächlich weitestgehend umgesetzt hatte, war ich gut in der Zeit.
So ließ ich die letzten Tage dann doch etwas ruhiger angehen. Mehr als 20 Kilometer selten. Manchmal auch nur 12.
Das hört sich entspannt an. Doch bringt es eine neue Herausforderung mit sich.
Die freie Zeit die bleibt.
Mein Tag fing immer früh an. Die Sonne ging ja immerhin schon so um 03:30 Uhr auf und um 04:00 Uhr wach ist um 04:00 Uhr wach.
Mit Trödelei machte ich mich dann kurz vor 06:00 Uhr auf den Weg.
Das Wetter war mittlerweile trübe. Nebel und Nieselregen in einer grauen Welt. Da fällt die Pause schon mal aus und es ging durch bis zum Etappenziel.
Denn in der Pause friere ich und das mag ich nicht.
Was warmes anziehen? Ach was…
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Übersicht Bohusleden Windschutzhütten: KLICK
Da sitze ich dann um 11:00/12:00 Uhr in meinem Windschutz…
Hier zeigt sich wirklich was „für sich“ sein bedeutet.
Ohne TV Ablenkung. Ständiges Essen, shoppen oder dieses Internet.
Das war oft nicht einfach und oft hat mich mein Mariannengrabentief besucht.
Lesen war dann meist meine Alternative zum nachdenken oder als Schutz vor Grübelei.
Mein Tag hatte trotz allem ein ungefähres Gerüst an dem ich mich orientiert habe und das sah so aus:
05:00 Uhr Aufstehen
06:00 Uhr Losziehen
zw. 10:00 – 12:00 Frühstück / 45-60 Minuten Pause
120g – 150g Reis (Trockengewicht)
50g Casein
100g Trockenfrüchte
Weiterwandern bis Etappenziel oder +/- 15 Uhr Proteinriegel
(die schwedischen Riegel mit Blaubeere sind das Ultimo an harmonischer und sowas von geiler Künstlichkeit – Knaller)
19:00 Uhr / 20:00 Uhr Abendessen
120g – 150g rote Linsen (Trockengewicht)
90g Makrele
1x Brühwürfel
(wenn sich eine Einkaufsmöglichkeit abzeichnete und ich noch Essen übrig hatte, habe ich die Abendmahlzeit noch mit zusätzlichem Reis aufgemotzt. Oder für den Abend nach einem Einkauf extra Fiskebullar angerichtet. Die kleinen Besonderheiten finden auf so einer Reise erst ihre richtige Bedeutung).
Nach einer mal so richtig nassen Etappe, mehr von unten aufgrund von Regen in der Nacht und der nun nassen Büsche, Sträucher und Wege, hab ich mir eine Campinghütte gemietet. Mit Bett, Dusche, Heizung und Chips und Schokolade und Wlan.
Und ich schreibs frei raus ohne Rot zu werden. Ich hab mir Alarm für Cobra 11 auf meinem Ipad gestreamt.
Umso verwirrender hat es sich auch angefühlt, am nächsten Tag dieser Welt wieder völlig zu entschwinden und der nüchternen stillen Schönheit da draußen zu begegnen.
So richtig bin ich da nicht wieder angekommen in meinen letzten drei Wandertagen.
Eine über den Bohusleden als besonders spannend beschriebene Etappe empfand ich als schwedische Schande in einem apokalyptischen Gewand.
Das Nebel mir die schönsten Aussichten versperrte, völlig in Ordnung. Doch ein stetiges summendes Pfeifen, als wären „die Besucher“ im Begriff zu landen, pflügte Stunden über meinem Kopf durch die Luft.
Nichts ist zu sehen. Nur die kalten mit Moos bedeckten Steine, Krüppelfichten hier und eine Birke dort. Und immer wieder das Fauchen wenn die Rotorblätter der Windränder fast die Erde berührten. Sie sind es nämlich die überall stehen. Erst wenige Meter davor geben sie sich zu erkennen. Sie begleiten mich den ganzen Tag. Vielleicht war es ganz gut, das es so neblig war.
Meinen letzten Abend auf dem Bohusleden verbringe ich 12 Kilometer vor Strömstad. Mit einer Aussicht weit über das Land. Die dazu verführt zurückzublicken woher ich gekommen bin und was die letzten zwei Wochen und fast 380 Kilometer so alles passiert ist und gedacht wurde.
Noch immer klopfen Zweifel bei mir an. Zweifel das richtige getan zu haben. Schwäche gezeigt und einen Plan nicht zu Ende gebracht zu haben. Immerhin war ich nur meinen Gedanken und einer gewissen körperlichen Anstrengung ausgesetzt. Viel Sonne, eher kein Regen. Keine durchgehende Nässe oder zehrende Kälte. Alles mir doch eher zuträglich um den vollen Plan durchzuziehen. Und immer wieder das „andere können das doch auch“. Ich höre sie und werde sie wohl nie zum schweigen zu bringen.
„manche Menschen sind sich aller Dinge sicherer als ich mir einer einzigen Sache“.
Robert Rubin in an uncertain world
Doch bin ich mutig genug Veränderungen zuzulassen. Die weiter meine zuvor eingeschlagene Richtung verfolgen, doch auf einem anderen Weg.
Ob die mich dann schlußendlich zufrieden stimmen, wer weiß das schon vorher. In dem Moment war es richtig und wie es sich wirklich anfühlt und leben lässt, das werde ich ausprobieren dürfen.
Strömstad erreiche ich bei Sonnenschein. Da der Bohusleden kein einsamer Wanderweg im hohen Norden ist, erlebe ich auch keinen Schock als ich mehr als einen Menschen auf der Straße sehe.
Ich mag Strömstad sofort. Klein, mit viel Wasser, einem gemütlichen Hafen und einem tollen Rathaus.
In der Saison wahrscheinlich, für mich zumindest, nur schwer zu genießen. Jetzt im Mai entspannt, langsam und ruhig. Also genau was für mich 🙂
Bevor ich im Hotel einchecke wird Frühstück eingekauft.
Ein Hotel am Ende einer Wanderung ist auch etwas das ich nicht auf meinem Zettel hatte. Wanderung vorbei und weiter gehts mit Bus und Bahn zum nächsten Ausgangspunkt.
Viel zu schnell für mich. Ich brauche einen Moment um anzukommen, zuzulassen was war und die Nerven zu entspannen. Die trotz aller Stille und Ruhe in der ich mich befand ihre Spannungen erfahren haben. Wenn es um Wasser, den richtigen Weg, Wetter und einfach nur meine Gedanken ging. Die hatten da schon was zu tun…
Frühstück natürlich am Hafen mit gefährlichem Polarbröd. Gefährlich, weil ich weiß das ich den Inhalt der Tüte aufessen werde wenn sie einmal offen ist.
So verging der Tag mit Essen, Eis Essen, Hafen anschauen, Mittagsschlaf, Eis essen aufs Wasser schauen und Abendessen.
Meine Direktverbindung mit der schwedischen Eisenbahn am nächsten Tag fiel aus und stattdessen kam der Bus.
Von Göteborg mit der Bahn dann nach Stockholm. Auch hier blieb ich eine Nacht.. Neun Stunden Reiserei reichen.
In Stockholm findet am nächsten Tag der Marathon statt. Finde ich natürlich total gut solch ein Ereignis mal als Zuschauer zu erleben.
Um von meinem sicheren Hafen aus auch mal laufen gehen zu können, mache ich mich am nächsten Tag auf die Suche nach Laufschuhen. Alter Schwede, ein Akt sondergleichen. Ich hab nichts gefunden und war überall.
Nicht das was ich brauche, falsche Größe oder doppelt so teuer wie daheim. Daraus resultiert, das ich es nicht mehr rechtzeitig zum Start schaffe und dann auch noch die Stecke nicht finde und die Elite verpasse.
Fieser Tag. Finde ich zumindest.
Am späten Nachmittag geht es dann mit dem Bus Richtung Archepelago.
Als hätte ich nicht auch das schon gewusst, kommt auch hier vieles anders als ich dachte. Doch das ist eine andere Geschichte…
Und meine Geschichte zum Bohusleden, die hat hier ein Ende.
Vielen Dank das du deine Zeit damit verbracht und mich knapp 380 Kilometer auf dem Bohusleden begleitet hast.
Hejdå & maktub
alexander
Du kennst Teil 1 und 2 noch nicht? Dann am besten vorne anfangen 🙂 KLICK
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Robert Peter says
Oh man, was für eine Tour. War spannend zu lesen. Danke fürs Teilhaben lassen. 🙂
alexander Laufliebhaber says
Robert, lieben Dank. Schön das du meine Reise verfolgt hast.
Ich werde noch weiter berichten 😉
Michel says
Hi, danke für das ehrliche Teilhaben lassen an Deinen Emotionen. Ich bin ein Jahr später den 1. Teil des Bohusleden gewandert und letztes Jahr den zweiten, beides auch im Mai – bei mir hat das Stimmungstief nur die ersten drei Tage und ich musste mich ebenso durchkämpfen durch die verscheidenen Optionen wie Du. Aber nach drei Tagen war es, wie wenn sich innerlich eine Tür aufgetan hätte und ich konnte den BHL mit soviel innerer Gelassenheit, Freude und Simmungshöhen erleben, dass ich heute noch davon zehre. Danke für das Anteilgeben. Bin am Überlegen ob ich dieses Jahr noch mal eine Woche an den BHL oder lieber and den Hogakustenleden fahre. Ich suche mehr die Einsamkeit und Abgeschiedenheit und habe den Eindruck, dass der HKL mit seiner Nähe zu Stockholm eher stärker frequentiert ist als der BHL- Na mal sehen, was raus kommt.
Laufliebhaber says
Hallo Michel,
vielen Dank für deine Nachricht.
Es freut mich zu hören, das du ähnliche Erlebnisse auf dem Bohusleden hattest. Auch wenn nicht alle nur von Freude geprägt waren.
Was deine Pläne betrifft, so vermute ich sehr das es von der Wahl der Reisezeit abhängt. Der Bohusleden liegt ja auch nah an Stockholm und die vielen Naturschutzgebiete mit direkter Parkmöglichkeit locken viele Menschen.
Naja, der HKL ist immerhin ca. 500km von Stockholm entfernt. Meine Erfahrung war, das abgesehen vom Skuleskogen Nationalpark, den ich allerdings auch am Wochenende durchquert habe, sehr wenig los war. Weniger als auf dem Bohusleden.
Wenn du Richtung September fährst, hast du glaube ich ziemlich viel Einsamkeit. Egal für welchen Weg du dich entscheidest…
Ich wünsche dir auf jeden Fall schon mal viel Freude und gute Erfahrungen,
Alex