Marathon – ein Lebensalter im Zeitraffer
Meine Füße heben sich nur noch minimal vom Asphalt. Mein Atem ist tief, ruhig und unhörbar. Ich spüre Schweiß und Salz in meinem Gesicht. Doch etwas ist heute anders als sonst, die Ziellinie kommt nicht näher, sie entfernt sich immer weiter.
Wenn ich über die höhen und Tiefen der 42,195 Kilometer von Hannover nachdenke, die nicht nur ich, die jeder Läufer für sich während seines Lauf in seiner ganz persönlichen Form erlebt, erinnert mich das an den Lauf des Lebens. Im klassischen Sinne, so wie es so viele Menschen heutzutage lernen ohne zu hinterfragen.
Der Startschuss fällt und mein Leben beginnt. Die ersten 10 Kilometer sind verspielt und jung. Ich lerne die Welt kennen. Ich lerne mich kennen. Ohne Angst und Sorge das etwas passieren könnte. Ich taste mich vor, versuche meinen Rhythmus zu finden und das Laufen für diesen Tag zu entdecken. Es ist eine schöne Strecke. Vorbei an Seen und durch abgelegene Wiesen. Ab Kilometer 11 und auf mehr als 10 Kilometern, die gesäumt von vielen Zuschauern immer geradeaus führen, werde ich zum Teenager.
Es gibt keine Grenzen in meiner Welt. In meinen Gedanken ist alles möglich. Ich bin unverwundbar. Ich kann alles erreichen und werde niemals scheitern. Die Idee, nach dem Zieleinlauf noch für den die 10 Kilometer an den Start zu gehen fühlen sich gut an. Es geht immer nur weiter. Wer stehen bleibt hat schon verloren. Ich liebe diese Gedanken und diese Augenblicke.
Die Kilometermarke 21 zum Halbmarathon zieht an mir vorbei. Ich bin Erwachsen. Ich mag dieses Wort nicht. Es ist heutzutage so sehr negativ behaftet. Ihm fehlt die Leichtigkeit und es ist nur mit dem Ernst des Lebens verbunden. Mit Routine, Trauer und aufgegeben Träumen. Das stimmt so nicht. Aber ich schweife ab…
Ich sehe nun alles realistisch. Die Beine sind nicht schwer, ich laufe wie es mein Plan vorsah. Zeitweise auch zu schnell. Ich kann nun einschätzen wie sich dieser “LebensLauf” in seiner gesamten Distanz gestalten wird. Es ist nicht mehr alles möglich. Nur noch selten spiele ich mit meinen Gedanken. Ich bin in der Hamsterrad-Routine angekommen. Laufen wie es sich gehört. Keine Experimente. Kein Nachfragen. Schön alles nach Plan abarbeiten. Nur Ankommen. Medaille abholen. Fertig.
Dennoch habe ich Spaß dabei und genieße das Laufen. Ich sehe das Schild für Kilometer 33. Es erinnert mich an den Syltlauf ein paar Wochen zuvor. Das Schild, es hängt einsam und schief an einer gesperrten Kreuzung an der grimmige Autofahrer darauf warten das die Straße wieder frei wird. Heute fängt es an dieser Stelle an langsam mühsam zu werden. Ich habe den ersten Tiefpunkt des Laufs erreicht. Ich bin im Ernst des Lebens angekommen. Gedanken kommen auf, abzubrechen. Nur kurz, aber ich bemerke sie. Ich kann ihnen noch ohne weiteres zuflüstern, dass sie keine Macht über mich haben. Wie denn auch, ich bin gerade dabei das zu tun, was meine Leidenschaft ist.
Da reichen diese kurzen Gedankenblitze niemals aus, um mich aufzuhalten. Ich kämpfe mich durch die Kilometer. Ja, es wird zum Kampf und die Ziellinie scheint sich zu entfernen, je näher ich ihr komme. Ich hangele mich durch bis Kilometer 40. Irgendwie. Es ist halt so. Vom Leben und Geschehen an der Strecke bekomme ich nicht mehr sehr viel mit.
Nun bin ich Großvater und nichts kann mich mehr so schnell aus der Ruhe bringen. Ich habe 40 Kilometer von Hannover und seinen Menschen gesehen. Habe Familien beim Picknick an der Straße beobachtet. Menschen die lächelnd an der Strecke stehen und den Kopfschütteln, Menschen die bedingungslos jeden Läufer anfeuern. Athleten die nicht das Ziel erreichen. Viele Gedanken habe ich in meinem Kopf bewegt. Viele Momente erfahren, in denen es einfach nur Still war. Bedingungslose Euphorie und gefährliche Täler haben mich begleitet. Alles gehört irgendwie dazu.
Ich fange wieder an zu genießen, es bleiben nur noch zwei Kilometer. Sie sind so kurz. Sie sind so wunderbar.
Danke Hannover!
Hannover Marathon Streckeninformation und GPS Download
Danke an meine Lauffreunde und Anfeuerer an der Strecke!
Danke Eichels Event!
Der nächste Hannover Marathon startet am Sonntag, 10. April 2016
KC says
Ein sehr schöner Beitrag! Im Übrigen auch eine klasse Seite! Viel Erfolg für die Zukunft! Ich werde die Seite zukünftig interessiert begleiten!
Alex - Laufliebhaber.de says
Vielen Dank KC!
Es freut mich, das dir Seite und Beitrag gefällt. Vielleicht läuft man irgendwann einmal zusammen. Irgendwo…
Einen schönen Tag für dich,
Alex
Zacha says
Ein sehr gelungener Lauf bei bestem Wetter! Vielen Dank an das GOP und Dich für die Orga!
Freue mich auf weitere interessante Läufe und Beiträge auf dieser Seite.
Alex - Laufliebhaber.de says
Zacha du sagst es.
Das war wirklich ein riesen Ereignis. Schön das du am Start warst. Bester Mann 🙂
Wir werden wieder zusammen Laufen!