Marathon. Jeden Tag!
Manche Meldungen gehen im Mitteilungsdschungel der Medien und Lifestyleberichten einfach unter. Wie auch die Nachricht von Annette Fredskov, die im Jahr 2013 jeden Tag einen Marathon gelaufen ist.
Ich hatte das Glück, durch Zufall im Januar 2014 auf einen solchen Artikel zu stoßen. Durch Zufall, da ich normalerweise kein Leser der „Brigitte“ bin. Doch dort wurde ich fündig und bin nachhaltig unglaublich beeindruckt von dem Interview mit Annette Fredskov. Einer Dänin, welche die Diagnose „multiple Sklerose“ nicht davon abhalten konnte, im Jahr 2013 jeden Tag einen Marathon zu laufen.
Nur, um das Schwarz auf Weiß zu sehen:
365 Tage.
365 x 41,195 Kilometer.
JEDEN TAG.
Bei Wind, bei Regen. In gleißender Sonne und an trüben Tagen. An Weihnachten, an dem Geburtstag ihrer Kinder, an ihrem eigenen Geburtstag. Wenn sie glücklich und wenn sie traurig war. Auch unter Schmerzen lief Annette Fredskov jeden Tag einen Marathon.
Am letzten Tag sogar zwei hintereinander. Denn der letzte Tag sollte etwas ganz Besonderes sein.
Für den „Freizeitläufer“ heißt es meist, sich im Leben vielleicht einmal den Traum vom Marathon zu erfüllen. Es ist ein Lebensereignis und die Vorbereitung darauf beginnt Monate im Voraus. Ambitionierte Sportler laufen im Jahr 2-3 Marathons. Dann schaltet sich aber auch schon die Vernunft ein, der Körper sagt von sich aus “Stopp” und Mediziner raten ohnehin von noch mehr ab.
Warum macht jemand so etwas?
Annette kommt aus einer kleinen Stadt nahe Kopenhagen. Vor ihrem Marathonjahr war sie als „Life Coach“ selbständig und bezeichnete positives Denken als ihren Beruf.
Bei der Frage nach dem „Warum“ lächelt sie nur und sagt, sie liebe das Laufen.
Etwas mehr gehört natürlich noch zu dieser Geschichte. Im Herbst 2009 wird bei ihr multiple Sklerose diagnostiziert. Eine nicht heilbare, unberechenbar fortschreitende Krankheit des zentralen Nervensystems. Die folgenden Monate drehten sich bei ihr nur um die Krankheit und je mehr sie erfuhr und wusste, desto mehr Symptome konnte sie an sich feststellen. Es gab nur noch ein Thema: Krank, Rollstuhl und auf Hilfe anderer angewiesen sein.
Bis zum Tag der Diagnose war Annette eine normale Joggerin. Drei bis vier Mal in der Woche ein paar Kilometer um fit zu bleiben. Mehr wollte sie nicht.
Nun fasste sie aber den Entschluss, ihren ersten Marathon zu laufen. Ihr großes neues Lebensereignis. So lange das noch ging.
Es war 2010 in Frankfurt und es war Liebe auf den ersten Schritt.
Annette konnte den Lauf genießen, spürte keine Symptome und genoss nur die Anstrengung und das Gefühl, jeden Muskel im Körper wahrnehmen zu können. Ihr Körper trug sie ins Ziel.
Sie wollte es wieder tun.
Die Faustregel von 2-3 Marathons im Jahr, mehr wäre eine zu große Belastung, ignorierte sie. So recherchierte sie alles was sie brauchte und lief fortan nicht nur auf den großen Marathonevents, sondern auch auf kleinen und regional organisierten. Manchmal nur mit einer handvoll Läufern. Nach nur sechs Monaten hatte sie bereits 40 zurückgelegt. Daraus erwuchs ihre Idee, jeden Tag einen Marathon zu laufen.
Und so kam es.
240 der 366 Läufe fanden direkt vor ihrer Haustür statt. Sechsmal eine 7km Runde. Die Verpflegungsstation war in ihrer Garage. Je bekannter sie durch ihren Blog wurde, auf dem sie davon berichtete, desto mehr Läufer kamen zu Besuch und liefen mit. Alle Marathons waren öffentliche Läufe, genehmigt und offiziell vom dänischen Marathon 100 Club anerkannt. Die Ergbnisse kannst du hier nachlesen.
Annette sagt, dass es so nie langweilig wurde. Es gab immer etwas zu erzählen. Fünf Stunden schweigen wären nichts für sie. Das Wetter war ja außerdem auch immer anders.
Ob sie jeden Tag Lust dazu hatte?
„Andere Leute gehen jeden Tag zur Arbeit und denken auch nicht immer darüber nach, ob sie heute Lust haben. Ich bin in dem Jahr statt zur Arbeit zum Marathonlaufen gegangen.“
Es gab Tage, an denen sie unglaublich müde war. An manchen Tagen saß sie nach dem Lauf weinend im Auto. Für sie war es in Ordnung. Sie hat geweint und hat weitergemacht.
Und nach dem Marathonjahr?
Sie hat ein Buch über ihr Marathonjahr geschrieben und sie läuft immer noch jeden Tag. Aber „nur“ 12km und 1-2x im Monat einen Marathon.
Das Jahr hat sie gefordert, sagt Annette. Sie war unerbittlich gegenüber sich selbst und das hat Kraft gekostet.
Annettes Erklärungsversuche warum sie es getan hat:
„Sie wollte kein Opfer dieser Krankheit sein, sondern weiterhin Kontrolle über ihr Leben haben. Sie sei neugierig gewesen, was alles möglich sei und wie es sich anfühlt. Sie wollte zeigen, dass man jedes Ziel erreichen kann. Dass man sich die Herausforderungen des Lebens zwar nicht immer aussuchen kann, aber immer wie man damit umgeht.“
Seit drei Jahren ist sie nun beschwerdefrei und nicht einmal beim Arzt gewesen.
Annettes Diagnose:
„Ich habe für mich entschieden, gesund zu sein.“
Für Mai 2014 plant sie fünf Marathons innerhalb von 48 Stunden.
Ich wünsche ihr ewige Liebe zum Laufen und alle Gesundheit der Welt.
alexander
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Wenn dein Geist sich ändert, ändert sich alles.
Fotos: Christopher Johnson / Don Hankins / Alan Levine / run on beat / Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)
Astrid • LiFEcatcher says
Herzlichen Dank für den tollen Artikel!
Ich träume noch davon, mal einen Marathon zu laufen. Konditionell bewege ich mich zur Zeit immer weiter davon weg. Sehr schade.
Als ich mit Laufen begann, fragte mich meine Schwester, wovor ich davon laufen würde. Vielleicht ist es ein weg, aber mit Sicherheit ist es auch ein hin. Das Beispiel von Annette hat wohl beide Facetten.
Nochmals vielen Dank!
Herzliche Grüße aus Hamburg -Astrid
Alex - Laufliebhaber.de says
Vielen Dank für deine schönen Worte Astrid.
Träume bitte weiter, denn beim Traum fängt alles an.
Es spielt keine Rolle, wie lange es dauert bis die Kondition für einen Marathon da ist. Diejenigen die sich Zeit lassen, haben zudem meist mehr davon als die, welche in 12 Wochen das Training durchprügeln, laufen und danach völlig fertig sind.
Und beim Thema „davon laufen“ bzw. „zu etwas hin“, gebe ich dir vollkommen Recht 🙂
Alles Gute wünsche ich Dir und weiter viel Freude beim Laufen!
Alex