Prolog
Hätte ich mich nicht im Oktober 2013 für den 41. Berlin-Marathon 2014 registriert, ich hätte nicht daran teilgenommen.
Die letzten Wochen fiel mir das Laufen ungemein schwer. Nicht nur die Motivation und Leidenschaft fehlte, auch schien meine Energie sich verabschiedet zu haben. Da ich nun angemeldet war, hieß es den Plan durchziehen. Mit welchem Ergebnis auch immer. Ein einmal gestecktes Ziel, ohne es versuchen zu erreichen, zu streichen, kam nicht in Frage.
Im Endeffekt folgte daraus, dass ich die besten und schönsten Trainingsläufe auf Sardinien erleben durfte, die ich sicher nicht durchgezogen hätte, wenn nicht der Marathon bereits in Sichtweite gewesen wäre.
41. Berlin-Marathon
Sonntag, 28. September 2014
Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich könnte ausrasten wegen diesem Fehler. Kilometer 36 und mein Kreislauf hat sich verabschiedet.
Dieter Baumann hat mal in einem Vortrag mal erwähnt, dass es egal ist wie lange man die Nacht vor einem Marathon schläft, solange die Nächte davor von erholsamem Schlaf geprägt sind.
Dementsprechend mache ich mir auch keine Sorgen, als es nach dem wunderbaren Reinhard Mey Konzert in Leipzig um Mitternacht ins Bett geht und ich mich vier Stunden später schon wieder aufmache Richtung Berlin. Hellwach, mit einer Frühstücksbanane an Bord und aufgeregt, was der Tag wohl bringen wird.
Am Brandenburger Tor ist es noch ruhig. Ich kann meine Startunterlagen ohne Wartezeit abholen. Freundlicherweise hatte mir die Marathonhotline am Vortag verraten, dass es in Notfällen doch möglich ist, die Unterlagen am Rennsonntag abzuholen. Für mich war es so ein Notfall und ich bedanke mich dafür.
Die Umkleidezelte zu suchen war mir zu aufwendig, hier mangelte es ein bisschen bei der Ausschilderung. Also zog ich mich einfach auf der Wiese um. Die Sonne war gerade dabei aufzugehen und den Tau von der Wiese zu schmelzen. So verstrich die Zeit, der abgesperrte Start/Zielbereich begann sich zu füllen, die Schlangen an den Toiletten wurden immer länger und plötzlich waren es nur noch fünf Minuten bis zum Start.
Ich hatte noch auf einen befreundeten Läufer gewartet und natürlich die Wege unterschätzt. Da ich aber nicht mit dem Hauptfeld, sondern der zweiten Welle starten würde, kam ich noch rechtzeitig und konnte mich in Abteilung F einreihen.
Schnell noch ein Foto vom Läuferfeld bei Instagram gepostet, verwunderlicherweise hat es sogar sofort und ohne Verbindungsprobleme funktioniert, und es geht los.
Im Läuferfeld ist es ungewöhnlich eng. Selbst wenn ich wollte, eigentlich wollte ich, konnte ich nicht schneller laufen als mit einer Pace von +/- 5.30 min/km. Es rempelte niemand und keiner trat dem anderen auf die Füße, aber es war ein dicht an dicht, das selbst Zick Zack Laufen nichts gebracht hätte. Das veränderte sich nicht bis Kilometer 15. Vielleicht war das auch ganz gut so, denn ich brauchte ungewöhnlich viel Zeit zum Einlaufen und um meinen Rhythmus zu finden.
Dann lichteten sich langsam die Reihen. Ob es daran lag, dass die Straßen breiter wurden oder sich die Laufgeschwindigkeit des Feldes so sehr verschob, ist mir eigentlich egal. Ich konnte nun meinen Plan verfolgen meine Pace um 15 Sekunden bis Kilometer 35 zu steigern.
Gesäumt von unglaublich vielen begeisterten Zuschauern an der Strecke, gelang mir das ganz hervorragend. Das empfand ich als sehr ungewöhnlich, es gab auf der gesamten Strecke keinen Teil den ich als „Loch“ oder „leer“ bezeichnen würde. Überall immer Zuschauer, Musik und Spaß. Hannover hat solche fiesen Löcher, auf denen man Kilometer um Kilometer alleine läuft. Sogar München.
Nicht so in Berlin. Das werde ich sicher in Erinnerung behalten.
Und dann kam Kilometer 30 und ich beging den bis dahin folgenschwersten Fehler meiner „Laufgeschichte“.
Es lief gut, meine Füße taten weh. Was aber keine Rolle spielte.
Nach dem Lauf verrieten sie mir dies nochmal deutlich durch ihr Aussehen. Das lag an den Berg und Strandläufen meines kurz vor Berlin beendeten Urlaubs auf Sardinien. Keine Probleme mit dem unteren Rücken, der Hüfte oder den Waden. Energie optimal vorhanden.
Mein Training hat sich deutlich ausgezahlt.
Über Schmerz kann ich also wirklich hinweglaufen. Wenn die Energie zum Laufen vorhanden ist, kann mich das also nicht bremsen. Abgefahren 🙂
Es lief also rund und die anvisierten 5 Minuten schneller zur Bestzeitoptimierung sahen erreichbar aus. Das war mir aber plötzlich nicht mehr genug. Da kannst du sicher noch mehr rausholen, dachte ich. Koffein soll doch die Leistung etwas steigern und die Aufnahme von Sauerstoff fördern. Teste das doch jetzt einfach mal. So meine Gedanken. So durchgeführt.
(MERKE, es reicht nicht, wenn man die oberste Regel für wichtige Rennen kennt – keine Experimente alles wie immer. Man muss es auch so umsetzen).
Die Quittung kam bei Kilometer 36. Mein Kreislauf sagte noch kurz „Hallo“ und verabschiedete sich in den Keller. Eine sehr unangenehme Erfahrung. Es war nur noch möglich in kurzen Abständen zu laufen um dann wieder ein paar Sekunden zu gehen. Ich lief immer so lange bis es anfing leicht schwarz vor den Augen zu werden, dann begann ich maximal 20 Sekunden zu gehen und lief wieder los. Bis zur nächsten Ankunft von Schwarz. Die letzten fünf Kilometer fühlten sich unfassbar und endlos lang an. Selbst vor dem Brandenburger Tor war es mir nicht möglich durchzulaufen, da ich sonst eher drunter liegengeblieben wäre.
Was für ein blödsinniger Idiotenfehler.
Ich bin angekommen. Das ist im Endeffekt die Hauptsache. Nur habe ich nichts von meinen zusätzlichen Zielen erreicht, was ich mir vorgenommen hatte und meinem Körper und Geist mehr angetan, als es hätte sein müssen.
Dennoch, Berlin du bist Marathon. Vielen Dank.
Ich komme sicher nicht gleich nächstes Jahr zurück. Aber du wirst mich wiedersehen. Schneller und nicht so leichtsinnig.
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