„Ich meine, ich kann mich ja nicht mal mehr daran erinnern, wo ich überall geschlafen habe. Es sind nur noch einzelne Momente welche herausstechen, die sich abheben in den Stunden von Stunden des Wanderns. Dazwischen ist wenig.
An meinen dritten Tag fehlt fast jede Erinnerung.“
Das notiere ich in mein Fahrtenbuch nach Ende der Wanderung. Als ich in Stockholm in einem Cafe sitze und darüber nachdenke, was das war, das ich da die letzten Tage erlebt habe.
Zu lernen, dass das was ich will und das was mir Freude bereitet nicht immer Hand in Hand gehen, war erneut Lektion Nr. 1 bei dieser Reise.
Doch von vorne.
Frühling hatte ich erwartet.
Mit Schnee, Wind und Bodenfrost wurde ich begrüßt als ich meine 350 Kilometer Wanderung Mitte Mai durch Mittelschweden begann.
Der Bus entließ mich, seinen einzigen Fahrgast, unter grauen Wolken in Malingsbo Bro.
Wesentlich besser mit dem Bus zu erreichen, als den von hier etwa 20 Kilometer entfernten offiziellen Start des Bergslagsleden.
Ich mußte mich bremsen, so schnell wollte ich den Weg bezwingen. Bezwingen, ein Wort das bei so einem Abenteuer besser nicht vorkommen sollte. Es gibt kein Monster zu erlegen. Niemand hat mir auferlegt das zu tun.
Es gibt keinen Zwang.
Es ist Freude, eine Herausforderung, ein Geschenk das es auszupacken gilt.
Doch mein Gedanke an Leistung, welche über allem steht, besonders über dem was mir Freude macht, ist nur schwer im Zaum zu halten.
Du vermisst die Fakten und Details und dich interessieren meine Erlebnisse gar nicht so wirklich?
Dann findest du in meinem Fakten Artikel zum Berglagsleden alles was du wissen musst.
Da die Wettervorhersage für den nächsten Tag durchgehend Starkregen angekündigt hatte und an diesem Tag mit 45 Kilometer auch noch eine der längeren Etappen anstand, entschied ich mich heute am ersten Tag mehr als 21 Kilometer zu gehen. Das würde mir am nächsten Tag nur helfen und es war doch auch erst 14:00 Uhr.
Und dann, dann fing es einfach an zu schneien.
Einfach so und nicht zu knapp.
Schnee im Mai.
Der Schwede an sich hätte das maximal als nicht erwähnenswert registriert.
Ich fand das richtig gut.
Die kälteste Stunde zwischen 03:00 und 04:00 Uhr Morgen weckte mich jeden Tag. Hatte ich doch nicht ganz für minus Temperaturen gepackt.
Das gute dabei, liegen bleiben hätte nicht geholfen. Denn wirklich gemütlich war da gar nichts mehr. So war ich früh auf den Beinen, wischte den Raureif vom Zelt und zog los.
Viele Stunden allein. Das war die mir liebste Zeit.
Die Sonne ging auf, die Natur erwachte und die Tiere der Nacht verschwanden. Alle Energie für den Tag war noch da.
Die Zeit verflog so jeden Morgen als wären es zwei Wimpernschläge.
Doch allein nicht immer. Denn der beste Moment meiner Reise war, als sich ein Getöse erhob und Mr. Wood Grouse aka ein Auerhahn durch das Dach des Waldes brach und hinter mir auf dem Weg landete.
Auf weichen und verwunschenen Pfaden ging ich auf dem Bergslagsleden meinen Weg.
Doch auch auf Wurzelpisten und Wirtschaftswegen ging es Stundenlang voran. Vorbei an weinenden Wäldern die von Baumstümpfen und einigen letzten ihrer Art bewacht werden.
Wasser trinke ich ungefiltert aus den überall liegenden Seen.
Regelmäßig am Weg zu findende Schutzhütten oder auf Schwedisch „Vindskydd“ waren stets mein Ort der Pause.
Eine Übersicht aller Hütten findest du hier.
Lange blieb ich nicht. War es doch oft zu kalt.
15 Minuten Augen zu und mein Iron Will Fruchtkuchen – eine täglich wiederkehrendes Ritual.
Und als hätte es nicht ein paar Tage vorher geschneit, fühlte es sich plötzlich so an als wäre es Zeit zum Baden.
Nicht weil ich so unfassbar schmutzig war.
Sondern weil die Sonne sich zeigte. Es zum Wandern viel zu warm wurde und überall Schweden in Feierlaune auftauchten.
Es war Wochenende und ich durchquerte Annaboda (eine Camping/Ferienanlage) wie ich ganz spontan bemerkte…
Und doch war ich nur ein paar Kilometer hinter der Anlage wieder für mich allein. Machte das erste Mal Feuer und grillte mit Blick auf dem See.
Alles war richtig, genau so. Ein Gefühl, das es viel öfter geben sollte. Ich viel öfter fühlen möchte. Das etwas richtig ist, genau so wie es in dem Moment eben ist.
Meine Füße machten mir das erste Mal seit Jahren Probleme. Und das lag nicht daran das ich in Laufschuhen wanderte, sondern das ich meine Schuhe die ersten Tage nicht trocken bekommen habe. Laufschuhe trocknen schnell. Doch auch nur dann, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen.
Jeden Tag war es feucht und nass auf dem Weg. Nachts froren sie eher steif, als das sie trockneten. Und so rieben sich meine Zehen und Füße an Stellen, die sich vorher niemals bemerkbar gemacht haben. Ich habe getapt und gepflastert was mein Material hergab. Doch es war bereits zu spät und so war ab dem zweiten Tag jeder Schritt gefangen in einem Anflug von Schmerz.
Das war lehrreich.
Ich werde weiter in Laufschuhen wandern. Doch nur noch mit einem Plan wie ich jeden Tag mit trockenen Füßen zumindest beginne.
Sobald der Plan steht und sich bewährt hat, wirst du es erfahren.
Der Frühling war in den Startlöchern. Das war deutlich zu spüren. Doch entschieden das er nun ausbrechen wollte, hatte er sich nicht.
So wechselte jeder Tag in einem hin und her zwischen Nebel, Sonne, Bodenfrost und Nieselregen. Ich fand Gefallen daran. Gab mir die Wettervorhersage doch Sicherheit, das unangenehmes nie lange anhalten würde.
Der Nationalpark Tiveden, ist ein richtiger Urwald.
Den Schweden sind ihre Wälder heilig. Sicher, es gibt unzählige welche nur für die Holzwirtschaft genutzt werden. Doch genauso unzählige gibt es, die geschützt sind und in denen es still ist und zauberhaft.
Tiveden ist so ein Wald.
Nicht nur durch die Tatsache, das die Trolle hier eine eigene Kirche haben. Sondern weil der Wald hier sein darf so wie er ist und diese Kraft strahlt alles aus und verschenkt sie weiter an den, der es möchte, wenn er zu Gast dort ist.
So war es den ganzen Weg. Ich war ein Gast der überall Willkommen war. Nicht jeder Teil des Weges war schön. Nicht jeder Tag ein Genuss. So mancher Plan hat nicht funktioniert. An mancher Stelle wollte ich zu viel. An anderer Stelle hätte ich länger genießen dürfen.
Doch viel wichtiger ist mir zu schreiben, das all das „nicht“ und all das „hätte“ immer dazu gehört. Zu all der Freude die ich auf dem Weg erleben durfte. Die mein Antrieb ist um loszuziehen, nach da draußen.
Daher werde ich weiter Erfahrungen sammeln dürfen. Pläne ausdenken und verwerfen. Auf Wiedersehen sagen wenn es am schönsten ist und daran scheitern anders zu fühlen als es an der Zeit ist.
Doch eines werde ich nicht mehr tun. 50 Kilometer als eine Tagesetappe einplanen.
Der Berglslagsleden endet offiziell im Camping und Ferienresort Stenkällegården im Nationalpark Tiveden.
Doch wirklich gut abreisen ohne eigenes KFZ kann man hier nicht.
Wie das geht, fasse ich in einem extra Fakten Artikel zum Bergslagsleden noch zusammen.
Daher führte mich mein Weg weiter. Über das karibische Flair von Djäknesundet bis hin nach Karlsborg, wo ich eine Nacht in einem Hotel schlief um am nächsten Morgen nach Stockholm aufzubrechen…
Den Bergslagsleden empfehle ich dir, wenn du einen einfachen und gut markierten Premium-Wanderweg gehen möchtest. Der dich fast ausschließlich durch alle Arten von Wald führt, an dem Seen Rechts und Links keine Seltenheit sind und zusätzlich noch die Geschichte der Regin auf kleinen Tafeln erklärt wird.
In der Nebensaison bis du eher alleine unterwegs. Ab Ende Mai wird es trubelig dort, ist es doch in Teilen ein viel begangener Weg von Familien und Tagesausflüglern. Ohne Umweg gibt es übrigens keine Möglichkeit am Weg um einzukaufen.
Die offizielle Website des Weges findest du hier:
BERGSLAGSLEDEN
Übersicht Windschutzhütten
Artikel Fakten & Tipps
Michael_wandert says
Hallo Alexander,
so, so, da waren wir also fast zeitgleich auf dem Bergladsleden, nur kam ich vom Süden herauf, Du vom Norden. Während Du ihn vollständig gelaufen bist, verzagte ich an ihm. Tiveden war toll und wild, aber was folgte, war mir eindeutig zu viel Wald bei zu schlechtem Wetter. Wir haben uns hierüber schon ausgetauscht.
In Kürze mache ich mich nun bei – hoffentlich wärmeren Temperaturen – wieder auf nach Schweden. Der Siljansleden, der Vaseloppsleden und/oder der südliche Teil des südlichen Kungsleden soll es sein. Was genau – ich weiß es noch nicht. Ich bin vorbereitet, entscheide aber vor Ort nach Gefühl.
Dein Bericht hat mir sehr, sehr gut gefallen. Emotionen! Und die Bilder – ganz großes Kino!
Viele Grüße Michael
Laufliebhaber says
Guten Morgen Michael,
schön von dir zu lesen 🙂
Sind wir uns wohl fast doch über den Weg gelaufen… Wenn du etwas früher dran warst, hattest du ja noch mehr mit dem Wetter zu kämpfen und Wald ist irgendwann wirklich viel. Da freut sich das Auge wenn es mal eine Weite zum schauen gibt.
Für mich geht es in zwei Wochen auch nach Schweden. Kungsleden Süd von Nord nach Süd. Vielleicht laufen wir uns ja wieder knapp über den Weg.
Ich wünsch dir auf jeden Fall eine gute Zeit wo immer du auch laufen wirst und viel Wetterglück!
Danke für dein Lob, das freut mich sehr.
Alex
Helge says
Wir sind den Weg als Familie gelaufen. Vater (ich), Mutter und drei Kinder (15 / 9 / 7). 2018 haben wir weniger geschafft als gehofft (bis Ramundeboda), aber 2019 konnten wir den Weg beenden und sind dann noch von Ramundeboda bis Granvik gegangen. Wir haben die Zeit sehr genossen und das Wetter hat auch weitestgehend mitgespielt. Die größte Herausforderung für uns war, das Gepäck entsprechend der Kräfte aufzuteilen 😉
Danke, dass du deine Erlebnisse hier teilst. Da wird auch bei mir die eine oder andere Erinnerung wach.
Laufliebhaber says
Guten Morgen Helge,
vielen Dank für deine Nachricht.
Das hört sich klasse an was ihr da unternommen habt. Und ihr könnt jetzt von euch sagen, ihr seid den Bergslagsleden komplett gegangen 🙂
Ja, mit der Verpflegung ist das da wirklich so eine Sache. Einkaufen ist ja fast unmöglich und wenn man sogar noch in der Nebensaison unterwegs ist, hat ja kaum ein Cafe am Wegesrand auf… und nur Wasa und Tubenkäse möchte man ja auch nicht essen. Auf jeden Fall haben wir es dennoch gemeistert 🙂
Es freut mich das du dir die Zeit genommen hast meinen Bericht zu lesen, vielen Dank.
Alles gute für euch und viel Freude bei den nächsten Wanderungen.
Alex